Teilnehmer: Robert
Datum: 13.02.2022
Gipfel:
Linker Fernerkogel 3278m
Schwierigkeiten: ST II - 1630hm – 20km – bei guter Abfahrtsplanung max. 35° Abfahrtgelände
Lawinenlage: 3 – heimtückische Lawinenlage – Lawinenwarndienst Tirol meldet für Sonntag: Ausgeprägte Schwachschichten im
Altschnee können vor allem an West-, Nord- und Osthängen weiterhin von einzelnen Wintersportlern ausgelöst werden. Dies vor allem zwischen etwa 1600 und 2500 m, vereinzelt auch an steilen
Sonnenhängen in der Höhe. Vorsicht vor allem an Übergängen von wenig zu viel Schnee wie z.B. bei der Einfahrt in Rinnen und Mulden. Lawinen können gefährlich groß werden. Fernauslösungen sind
möglich.
Die Triebschneeansammlungen sind in der Höhe teils störanfällig, besonders in Kammlagen an sehr steilen Schattenhängen. Zudem besteht eine latente Gefahr von Gleitschneelawinen. Dies an steilen
Grashängen unterhalb von rund 2400 m
Verhältnisse: Notabfahrt frisch präpariert, Gletscherspalten tragfähig zugedeckt, stark Windbeeinflusster Schnee am Mittelbergferner. Wechsel zwischen Windverfrachteten Stellen und nicht tragenden Bruchharschstellen. Am Hangenden Ferner bester Pulver.
Wetter: Sonniger, stabiler Februartag, Kalt, -12Grad am Parkplatz, mit Windchill richtig schneidender, unangenehmer Wind.
Strecke: Mittelberg, Parkplatz Gletscherskigebiet Pitztal – Gasthof Steinbock – Notabfahrt Grießtal Pitztaler Gletscherskigebiet – ab 2600m Mittelbergferner – Linker Fernerkogel Südflanke – Tiefenbachjoch – Querung - Gipfel Nordhang – Linker Fernerkogel Gipfel 3278m – Hangender Ferner – Querung unterhalb der Braunschweiger Hütte auf dem Karlesferner - Mittelbergferner - Notabfahrt Grießtal Pitztaler Gletscherskigebiet – Mittelberg, Parkplatz Gletscherskigebiet Pitztal
Ein kleine Übersicht über unsere Runde. Jedoch ohne jeglichen Maßstab,
Was ist nur mit uns Menschen los… Sind wir nur Beratungsresistent, meinen wir, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben oder sind wir einfach nur dumm geworden?
Immer öfter frage ich mich, warum Menschen der Wissenschaft so misstrauen? Egal ob beim mittlerweile echt lästig werdenden Thema Corona, aber auch bei dem Thema, was uns Skitourengehern im Winter immens wichtig sein sollte. Der Lawinengefahr.
Über alle Länder und Lawinenwarndienste hinweg werden seit gut vierzehn Tagen Warnungen und Bitten zur Zurückhaltung ausgegeben. Eindrücklich warnten und warnen die Experten um die Herren Larcher und Mair die Tourengeher zur Zurückhaltung und sehr defensives Verhalten im freien Skigelände, wegen der leicht zu störenden Schwachschichten zwischen 1600m und 2500m und der generell großen Lawinengefahr. - Eigentlich bitten Sie um Verzicht.
Alles Gerede der Fachleute war aber umsonst…
Lustig wurden Touren um Göll und Hochkalter, eigentlich Touren für sichere Verhältnisse, unternommen. Auch in Tirol wurden Skitouren, in vielen Fällen mit fatalem Ausgang unternommen. Der Bodycount war unter der Woche mal bei 10 Toten und einigen schwer verletzten Tourengehern.
Ich will jetzt nicht alles verteufeln und Besserwisserei betreiben. In den Bergen herrscht ja freies Betretungsrecht und jeder kann zum Glück alles machen, solange er damit keinen anderen mit seinen Aktionen verletzt oder schädigt.
Was aber dann für mich dem Fass den Boden ausschlägt ist, dass diese „Helden“ das Ganze auf den diversen Onlineplattformen posten. Sie lächeln in die Kameras und zeigen Ihre Abfahrtsspuren im Schnee bei Lawinenwarnstufe 4, als wenn es diese Experten-Warnungen nicht gäbe. Rund herum gehen Spontan-Entladungen der Hänge abwärts und diese Herren und Damen finden es nicht nötig nachzudenken.
Warum nur Posten…?
Kann man keine Bergtouren mehr machen, ohne diese in der nächsten Sekunde allen bei Facebook oder Instagram zeigen zu müssen. Besonders bei Lawinenwarnstufe 4? Sind wir schon so weit?
Wenn diese „Skitourenprofis“, unbedingt bei einem 4er losziehen müssen, dann sollen sie das machen. Wie schon oben erwähnt, kann jeder machen, zu was er Lust hat. Aber bitte im Stillen und ohne in Tourenportalen darüber zu berichten, wie großartig doch der Pulver ist und sie den ganzen Hang für sich haben…warum ist denn da nichts los??? Weil die Mehrheit der Tourengeher das Hirn einschaltet! Diese Posts verleiten nur andere Tourengeher, die sonst zurückhaltend und weniger Risiko eingehen, auch solche Aktionen zu starten.
Unser heutiges Ziel hinter dem Gasthof Steinbock. Der linke Fernerkogel.
So, jetzt aber genug Dampf abgelassen. Heute, nach drei Wochen Pause, starte ich endlich wieder eine Skitour. Die Freude ist groß.
Ich wollte das Risiko einer Schneebrettlawine nicht eingehen. Ich liebe mein Leben, drum habe ich die letzten Wochen auf alpine Skitouren verzichtet. Da die Lawinenlage in bestimmten Bereichen immer noch auf einer angespannten 3 steht, suchten wir uns ein Ziel, wo wir die, durch den letzten Regen entstandene Schwachschicht, nicht stören können.
Durch die schon bei der Skitour zum Schuchtkogel erprobte Notabfahrt des Pitztaler Skigebiets, können wir, diese unstabile Höhenlage zwischen 1600m und 2500m auf einer gesicherten Piste umgehen. Gesagt, getan.
Vom Parkplatz der Pitztaler Gletscherbahn in Mittelberg starteten wir unsere Tour auf den Linken Fernerkogel. Vorbei am Gasthof Steinbock ging es auf der wieder mal gut präparierten Piste ins Grießtal hinein. In dem leicht kupierten Gelände machte uns am Anfang besonders der schneidend, kalte Wind zu schaffen. Kinn, Wangen und Nase wurden bald gefühllos. Auch den Fingern erging es nicht besser. Besonders das Fotografieren wurde zur echten Herausforderung. Wir ließen uns aber nicht abhalten und stiegen diesmal bei deutlich mehr Schnee bis ins hintere Tal, wo uns ein gewaltiger Felsriegel empfing. Immer mehr oder weniger nach rechts ausweichend stiegen wir in steilen Kehren zu einem Schlupfloch zwischen den Felsen, zum riesigen Gletschertor des Mittelbergferners auf. Weit über uns thronend stand die Braunschweiger Hütte, ein guter Touren- und Ausbildungsstützpunkt, trotz der eher dürftigen Lage zwischen den beiden Gletscher-Skigebieten Sölden und Pitztal.
Der Kaunergrat im ersten Morgenlicht, beim Blick zurück.
Nur noch kurz blieben wir auf der präparierten Piste, denn schon kurz nach dem Gletschertor, auf etwa 2600 Meter drehten wir nach links auf das ungesicherte Gelände, dem Mittelbergferner ein. Mit ein wenig Abstand zu den felsigen Westabstürzen des linken Fernerkogels gingen wir bei wieder auffrischendem Wind in Richtung Süd/Südost, um dann auf etwa 2900 Meter nach links, Nordost und später dann in einer großen Linkskurve auf Norden einzudrehen. Wir umkreisten den Linken Fernkogel regelrecht. Hier wurde es auf einen Schlag windstill. Auch die Sonne wärmte zum ersten Mal an diesem Tag unsere Finger. Was für eine Wohltat! Ein perfekter Platz für eine kleine Jause.
Die letzten Meter zur Tiefenbachjoch.
Eine gute Spur, die vom Skigebiet herüberzog, erleichterte uns den weiteren Aufstieg zum Tiefenbachjoch. Über einige Spitzkehren erreichten wir schon kurze Zeit später das Joch, etwa 50 Meter unterhalb der Söldener Aussichtsplattform des Tiefenbachkogels, wo auch schon James Bond seine Bösewichter jagte.
Die Schlüsselstelle der gesamten Tour. Die Querung vom Tiefenbachjoch zur Felsinsel im Hintergrund.
Idyllisch ist es hier nicht wirklich, inmitten der riesigen Gletscher-Skigebiete. Überall kann man Stimmen von der Plattform herunterhören und die Liftbauten passen eigentlich auch nicht so in diese hochalpine Gegend. Aber trotzdem ist die Aussicht Richtung Mittelbergferner, Wildspitze und Kaunergrat gewaltig. Nach einem kleinen Stärkungsriegel gleiteten wir mit den Fellen an den Ski, unterhalb der östlichen Gratfelsen, nördlich in eine Senke hinein. Erfreulich wenig Triebschnee hatte sich hier gesammelt. Trotzdem war da ein etwas mulmiges Gefühl, denn vor solchen Stellen warnte der Lawinenlagebericht.
Was für eine Fernsicht auf dem Gipfel des Linken Fernerkogels.
Mit großem Sicherheitsabstand stiegen wir anschließend noch eine leicht ansteigende Querung zu einer kleinen Felsinsel, die den Hangenden Ferner teilt, hinüber. Auch hier ein wenig Triebschnee. Wenn hier mehr drin liegen würde, dann müsste man am Tiefenbachjoch sicher abbrechen. Diese beiden Querungen konnte man sicher als die Schlüsselstellen der gesamten Tour bezeichnen. An einem großen Windkolk bauten wir dann unsere Harscheisen an die Ski, denn der Gipfelhang schaute, soweit wir das von der Stelle aus einsehen konnten, abgeblasen aus. Wesentlich angenehmer konnten wir dadurch die ersten fünf Meter des nordexponierten Gipfelhang queren und anschließend in einer gut angesetzten Spur die letzten Meter in einigen Spitzkehren, bis fast zum Gipfelkreuz aufsteigen. Meter um Meter wurde die Aussicht schöner. Je weiter wir nach oben kamen, desto mehr tat sich der Ausblick nach Süden auf. Ein gewaltiger Gipfel mit Rundumsicht! Kaunergrat mit der Watzespitze, Wildspitze, Schuchtkogel und das fast makellose Weiß des Mittelbergferners.
Was für eine Aussicht auf den Mittelbergferner mit Wildspitze im Hintergrund
Während des Aufstiegs diskutierten wir immer wieder, wie wir denn vom Gipfel abfahren sollten. Aber bereits auf dem Tiefenbachjoch war die Entscheidung eigentlich gefallen. Über den spaltenreichen Hangenden Ferner würden die Schneeverhältnisse richtig gut sein. Perfekt geneigte, nicht zu steile Hänge! Das wollten wir sehen. Auch die beiden Querungen wollten wir nicht noch einmal zurück gehen. Also bauten wir unsere Ski, nach einer kurzen Brotzeit, auf Abfahrt um und machten die ersten Schwünge auf dem harten, stark windbeeinflussten oberen Gipfelhang. Ratternd gleiteten die Ski mit uns talwärts. Echt schlimm zu fahren.
Aber bereits nach 50 Höhenmeter staubte es. Bei besten Pulververhältnissen konnten wir schnell an Höhe verlieren. Immer wieder stoppten wir und schauten wir uns ungläubig an.
Tolle Schneeverhältnisse am Hangender Ferner.
Echt? Pulver? Hier? Nach den schlechten, stark windbeeinflussten Schneebedingungen auf dem Mittelbergferner, wo wir feinsten Bruchharsch vorfanden, war dies nicht unbedingt zu erwarten.
Nach dem wir die Gletscherzunge nach einigen Zöpferl passiert hatten, erreichten wir das Gelände unterhalb der Braunschweiger Hütte. Mit ein paar kurzen Schiebepassagen Richtung Südosten, querten wir über kupiertes Gelände zurück zum Mittelbergferner. Am unteren Mittelbergferner, etwa 50 Meter über dem Gletschertor ließen wir es zur Piste und Notabfahrt des Gletscher-Skigebiets hinübergleiten. Über die gut griffige Notabfahrt fuhren wir recht flott zurück nach Mittelberg und zum Auto.
Fazit: Aus einer Verlegenheitstour, die wir aufgrund der angespannten Lawinenlage unternommen haben, wurde ein wunderbarer Tourentag. Im Aufstieg, ab dem Tiefenbachjoch skitechnisch stellenweise richtig anspruchsvoll, standen wir auf einem stolzen Aussichtsgipfel der Premium Kategorie. Sogar der Wind hatte mit uns am Gipfel ein Einsehen. Bei Windstille konnten wir die die Aussicht genießen.
Ich denke, dass wir das beste aus der momentanen Lage geholt haben und uns dem Risiko mit Bedacht genähert hatten. Einzig die nördliche Querung nach dem Tiefenbachjoch könnte man als risikoträchtig einstufen. Aber der Triebschneeeintrag war weder sehr ausgeprägt, noch zeigten sich andere Warnzeichen.
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