Skitour Hundstod-Reibn / 2x Seehorn
Teilnehmer: Tobi und Christian
Datum: 27.02.2022
Gipfel:
Seehorn 2321m 2x
Schwierigkeiten: ST III - 3200hm – 32km - 40 Grad
Lawine: 2 – Der Lawinenlagebericht Bayern sagt folgendes: Die Lawinengefahr ist oberhalb der Waldgrenze mäßig, darunter gering. Das Hauptproblem ist frischer Triebschnee. Gefahrenstellen befinden sich vorwiegend im kammnahen Steilgelände der Expositionen Süd über West bis Nord sowie in eingewehten Rinnen und Mulden. Sie nehmen an Anzahl und Umfang mit der Höhe zu. Lawinen können stellenweise durch geringe Zusatzbelastung, wie zum Beispiel durch einen einzelnen Skifahrer, ausgelöst werden und vor allem in den Hochlagen mittlere Ausmaße annehmen. Neben der Verschüttungsgefahr ist die Absturzgefahr zu beachten. Daneben gibt es in den Hochlagen ein Altschneeproblem. Schattseitig können vereinzelt an schneearmen Stellen Schneebrettlawinen durch große Zusatzbelastung ausgelöst werden und unter Umständen groß werden.
Verhältnisse: Bester Pulver, In der Südflanke zum Diesbacheck wegen Schneemangel 100m Ski tragen
Wetter: Traumhafter Wintertag, am Morgen einige Restwolken von einer abziehenden Front.
Strecke: Parkplatz Hirschbichlstraße im Hinterthal 980m – Kallbrunner Alm 1454m – Seehorn 2321m – Kematenschneid – Wimbachscharte 2028m – Loferer Seilergraben – Wimbachgrieß – Winbachgrießhütte – Banngraben – Trischübelgatterl 1567m – Hundstodgatterl 2210m – Hundstodscharte - Diesbacheck 2200m – Hochwies – Kematenschneid – Seehorn 2321m – Kallbrunner Alm 1454m – Parkplatz Hirschbichlstraße im Hinterthal 890m
Eine kleine Übersicht der Runde, ohne jeglichen Maßstab!
Der Große Hundstod vom Seehorn aus gesehen.
Lange habe ich mich gegen diese Gebietsdurchquerungen, den sogenannten Reibn, geweigert. Ich fand es nicht schön, wenn man einfach an den vielen, meist wunderbaren Skibergen vorbeimarschiert. Irgendwann kam ich dann auf die Idee, diese Skirunden mit eben diesen Gipfelbesteigungen zu kombinieren. Im Jahr 2021 habe ich mit Helmut die „Kleine Reibn um den Schneidstein“ gemacht. Eine schöne Tagesrunde, wo wir das ausprobierten und zusätzlich, zu der eigentlichen Reibn, noch ein paar schöne Skigipfel besteigen konnten. So lasse ich mir das eingehen. In dieser Form eröffnete es mir viele weitere interessante Wege und Möglichkeiten im Winter.
Solche, auch im Winter landschaftlich reizende Runden haben durchaus auch ihre Vorteile und Fordern einem, in Bezug auf Orientierungssinn und Schnee- Lawinenbeurteilung ganz speziell. Man taucht besonders in der Vorbereitung, aber auch auf Tour noch tiefer in Gegebenheiten, der Topografie und Eigenheiten der Skirunde ein. Das macht das Ganze für mich interessant!
Als dann Tobias, ein ambitionierter Ausdauersportler aus der heimatlichen Alpenvereinssektion die Hundstod-Reibn ausgeschrieben hatte, meldete ich mich sofort an. Tobias plante die Runde nicht mit dem normalen Zustieg vom Wimbachgrieß aus, sondern vom Hinterthal, via Seehorn. Das waren in Summe satte 3200 Höhenmeter! Mit dieser Variante kamen wir in den Genuss, das Seehorn gleich zweimal zu überschreiten. Eine wirklich Tagesfüllende Angelegenheit, bei der sich die Grenzen zwischen Freude und Qual sicher nicht klar definieren lassen.
Nachdem wir letzten Sonntag Wetterbedingt verschieben mussten, schaute für heute alles gut aus und meine am Anfang der Woche eingefangene Erkältung war am Abklingen. Auch die Lawinenlage, die Anfang der Woche noch ziemlich angespannt auf 3 war, hatte sich mittlerweile entspannt.
Am Parkplatz im Hinterthal ist tiefster Winter.
Wir fuhren zeitig nach Weißbach bei Lofer und bogen gleich nach dem Ortsschild der Hirschbichlstraße folgend, nach Hinterthal ab. Auf einer Eis- und Schneebedeckten Fahrbahn hatten wir schon nach den ersten Kehren keine Chance mehr zum Parkplatz zu kommen. Hier war guter Rat teuer. Schneeketten hatten wir keine, also was blieben uns noch für Möglichkeiten. Langsam runterrutschen und mit dem Auto nach Berchtesgaden fahren und über das Wimbachgrieß die Runde starten oder hier neben der Straße eine Lücke ausgraben, das Auto dort abstellen und von hier aus mit 400 Höhenmeter plus starten… Wir überlegten ein wenig…irgendwie gefiel uns keine der beiden Möglichkeiten.
Zum Glück kam uns nachdem wir einen letzten Versuch mit dem Rückwärtsfahren der Hirschbichlstraße begonnen haben, das Streufahrzeug entgegen. Juhu. Der Tag ist gerettet. Mit extra Riesel auf der schneebedeckten Fahrbahn ging es langsam und stetig Richtung Parkplatz. Tobi meisterte die anspruchsvolle Rückwärts-Auffahrt mit Bravour.
Was für eine Aussicht, auch schon im Aufstieg zum Seehorn.
Auf dem Weg zum Seehorn...
Am Parkplatz angekommen, richteten wir unsere Ausrüstung für die zugegebenermaßen außergewöhnliche und einigermaßen selten gemachte Tour. Rechts oberhalb des Parkplatzes folgten wir einer Forststraße Richtung der Kallbrunner Alm, die unser erstes Zwischenziel fungiert. Von Beginn an legte Tobi ein strammes Tempo vor. Ich hatte die ersten Meter echt Schwierigkeiten mitzuhalten. Bei der Alm angekommen machten wir eine erste Trinkpause. Diese kam genau richtig. Ich schwitzte heute, dass mir das Wasser das Gesicht nur so runterlief. Puh. Wenn das so weitergeht, dann geht das nicht gut aus. Von der Alm konnten wir unsere weitere Wegstrecke zum Seehorn bereits gut einsehen. Erst über kupiertes Gelände, dann weiter auf sanften, optimal geneigten Hängen zieht die steil angelegte Spur, ohne eine einzige Spitzkehre, hinauf zum Gipfel. Etwas langsamer stiegen wir jetzt über das kupierte Gelände. Richtig schön ist es hier. Tief verschneit und unberührt liegt die Gipfelflanke des Seehorns vor uns.
Im Gebiet der Kallbrunner Alm, im Hintergrund die Gipfelflanke des Seehorns.
Zum Loferer Seilergraben...
Am Gipfel angekommen nahmen wir einen Schluck zu Trinken, einen kleinen Riegel und schon ging es ans umbauen, um vom Gipfel den schmalen Grat zur Kematenschneid und weiter zur Wimbachscharte abzufahren. Für mich irgendwie zu flott, wo ich so gerne die Landschaft und die Umgebung bestaune. Aber hilft nichts, die beiden sind schon abgefahren, also ihnen nach. Toller Pulverschnee erleichterte uns die sonst meist pickelharte Abfahrt.
Bei guten Verhältnissen geht es auf die Kematenschneid hinab und weiter hinten zur Wimbachscharte hinüber.
An der Scharte angekommen, trauten wir unsere Augen nicht. Nur zwei Spuren waren im Loferer Seilergraben. Bei bestem Pulverschnee. Der Wind der letzten Tage hatte auch nicht allzu viel Triebschnee hineingeblasen, so dass wir alle drei ein gutes Gefühl hatten und die Spuren Nr.3, Nr.4 und Nr.5 in die Rinne zogen. Pulverschnee fast bis zu den Knien ließ uns gleiten wie auf Wolken. Mit insgesamt drei Stopps zogen wir bis zum Wimbachgrieß durch. Unten brannten meinen Oberschenkel schon gewaltig.
Bild 1-3:Die Querung auf der Kematenschneid zur Wimbachscharte.
Bild 4+5: Der Loferer Seilergraben
Zum Trischübel hinauf...
Ich war noch nie im Winter im Wimbachgrieß. Das im Sommer schon beeindruckende Schuttkar ist für mich im Winter fast noch beeindruckender. Weit, weiter, Wimbachgrieß. So heißt es zumindest in einigen Führern, was ich heute nur bestätigen kann. Zum Glück hatten wir von unserem Ausgangspunkt, am Fuße des Loferer Seilergrabens nur einen Bruchteil des Wimbachgrieß zu gehen. Wir drehten Richtung Wimbachgrießhütte ein und gingen leicht ansteigend Richtung Banngraben.
Hier ging es mir von Minute zu Minute schlechter. Irgendwie hatte ich das Gefühl das bei mir irgendwo im Körper ein Leck ist, wo mir Energie jede Minute verloren geht. Die Sonne prallte in das Grieß, kein Lüftchen war zu spüren. Immer öfter musste ich die beiden Kollegen ziehen lassen.
Am Ausgang des Loferer Seilergrabens das Wimbachgrieß und die massige Watzmann Westwand.
Langsam, fast ohne Höhengewinn zieht sich die Spur Richtung Banngraben, eine steil aufragende Felswand, wo das Gelände abrupt steiler wurde. In steilen Kehren gewinnt man, an der schwächsten Stelle der Felswand, über eine Stahlseil versicherte Passage den Trischübelpass. Ich kämpfte mich Kehre für Kehre nach oben. Endlich oben angekommen war meine Energie am Ende. Was war nur los mit mir? Die unglaubliche Aussicht auf die Teufelshörner, das Hagengebirge und das Almgebiet der Wasseralm konnte ich gar nicht richtig genießen.
Erst sehr flach im Wimbachgrieß, später dann steiler werdend zum Banngraben
und Trischübel hinauf.
Zum Hundstodgatterl...
Ich besprach meine Situation mit Christian und Tobi. Die beiden wollten, dass wir das gemeinsam zu Ende bringen sollten. Das Wetter ist gut und wir hätten keine Eile. Also gut, ich ließ mich überreden.
Ich trank den Rest meiner ersten Colaflasche aus, schnappte mir einen Riegel und ein paar Powerbar Gummibärchen aus dem Rucksack und wir gingen gemeinsam in steilen Spitzkehren den Weg zum Hundstodgatterl hinauf. Über einige Stufen und kurzen Abgleitpassagen mit den Ski kamen für mich satte 700 Höhenmeter voller Qual. Immer wieder musste ich pausieren, Luft holen und meinen Puls herunterholen. Aber ich ging ab jetzt in meinem Tempo und so ging es einigermaßen. Die beiden genossen sichtbar die Tour und die Aussicht, was mich freute. Ich wollte auf keinen Fall die beiden aufhalten. Ich wusste nicht was mit mir heute los war, so kraft und saftlos fühlte ich mich noch nie.
In einer unglaublich schönen Landschaft geht es zum Hundstodgatterl hinauf.
Schritt für Schritt kamen wir dem Großen Hundstod wieder näher. Über makellose, unberührte Schneehänge und kupiertes Gelände, wo wir teilweise mit den Fellen abfuhren, zog die meist angenehm zu gehende Spur Richtung dem bereits sichtbaren Hundstodgatterl hinüber. Trotz meines Zustands konnte ich die gewaltige Landschaft zumindest ein wenig in mich aufsaugen. Auf dem Hundstodgatterl angekommen, tat sich das steinerne Meer mit dem Ingolstädter Haus vor uns auf. Schneiber, Funtenseetauern, Schönfeldspitze um nur einige zu nennen. Wahnsinn diese Aussicht!
Was für eine gewaltige Aussicht vom Hundstodgatterl übers Steinerne Meer.
Zum Diesbacheck...
Beim Umbauen der Ski auf Abfahrt nahm ich wieder einen Riegel und einen Schluck aus der zweiten Cola Flasche. Anschließend ging es ziemlich steil einen zerfahrenen Pulverhang hinunter, um unten angekommen, etwas oberhalb des Ingolstädter Hauses zur Hundstodscharte und zum Diesbacheck hinüber zu queren. Jetzt wo ich mein Tempo gehen konnte, ging es mir zwar besser, trotzdem musste ich immer wieder stoppen. Auf der Hundstodscharte angekommen, mussten wir die Südflanke in Richtung Diesbacheck queren. Hier waren die Steine nur leicht mit Schnee bedeckt, was mir einiges an Skibelag kostete. Irgendwann, etwa 150 Meter vor dem Diesbacheck schnallte ich ab und eierte zu Fuß auf einem Trampelpfad zum Diesbacheck. Hier hatten wir wieder Sicht auf unser Seehorn, dass wir heute noch einmal besteigen konnten.
Rechts führt die Spur zur Diesbachscharte.
Aber zuerst richteten wir uns, neben dem Loferer Seilergraben für eine der Skifahrerischen Highlights der Runde her. Die Abfahrt über die Hundstod-Nordwestflanke in die Hochwies. Ich verpflegte mich nochmals mit Riegel und Cola und baute während dessen meine Ski um. Eigentlich freute ich mich auf die Abfahrt, die überall als großes Highlight verschrien ist, aber befürchtete, dass ich sie auf Grund meines momentanen Zustands und den mittlerweile weit über 2500 Höhenmetern in den Beinen nicht wirklich genießen kann.
Die Nordwestflanke war zwar schon ziemlich verspurt, aber wir fanden alle drei noch genügend unverspurtes Gelände in dieser Extra-breiten Flanke. Unglaublich! 30-40 Zentimeter Pulver in einer optimal geneigten Flanke. Was für ein Spaß! Unten raus ließen wir die Ski laufen, um möglichst weit auf die gegenüberliegende Seite, zum letzten Anstieg aufs Seehorn zu kommen.
Das Seehorn links der Bildmitte vom Diesbacheck. Von rechts unten, der Hochwies, zieht der lange Anstieg auf das Seehorn. Rechts im Hintergrund Kammerlinghorn und Hocheisspitze.
Der letzte Aufstieg zum Seehorn...
Hier bauten wir wieder auf Aufstieg um. Ich verpflegte mich wieder mit Riegel und dem letzten Tropfen Cola. Jetzt musste ich es hinaufschaffen, mehr Verpflegung habe ich nicht mehr. Nochmal gut 500 Höhenmeter waren zu bewältigen. Aber ich hatte wieder Mut geschöpft. Ich ließ meine beiden Mitstreiter vor mir her gehen und machte mich an den Aufstieg wieder in meinem Tempo. Immer näher kam ich der Kematenschneid, über die wir dann nochmal richtig steil, den Gipfel des Seehorn erreichten und unsere Reibn vollenden konnten. Ich war so froh, als ich endlich auf dem Gipfel stand. Ab jetzt ging es nur noch bergab. Das Leiden war fast zu Ende. Nach ein paar Bildern und einem Rundumblick in der Nachmittagssonne stiegen wir in die Ski und starteten.
Bild1: Mitten in der Hundstod Nordwestflanke bei der Abfahrt zu Hochwies.
Bild2: Ein Blick zurück auf die Hochwies Abfahrt.
Bild3: Auf dem Gipfel des Seehorns.
Die letzte Abfahrt...
Der frühmorgens noch makellose Gipfelhang schaute aus wie ein Schlachtfeld. Zerfurcht und Zerfahren. Oh…je, das wird sicherlich kein Spaß und ich ahnte schon das schlimmste.
Doch der Hang war erstaunlicherweise gut zu fahren. Schnell verloren wir an Höhe und folgten den Spuren hinunter zur Kallbrunner Alm. Über einige Gegenanstiege, wo wir seitlich mit den Ski hinaufstapfen mussten, erreichten wir die Forststraße. Diese war mittlerweile von den ganzen Seehorn Tourengehern zu einer Piste ausgefahren und so ließen wir es bis zum Parkplatz laufen. Unten am Parkplatz klatschten wir uns ab. Was für ein Erlebnis!
Der zerfurchte und zerfahrene Gipfelhang des Seehorns.
Ein kleines Bildervideo von meinem Tourenpartner Tobias.
Fazit: Jetzt, einen Tag nach der Tour bin ich immer noch völlig überwältigt von der Tour, der Landschaft, den topp Verhältnissen. Knapp 3200 Höhenmeter und 32 Kilometer sind schon eine Ansage.
Meinen Leistungsabfall heute kann ich mir nur damit erklären, dass ich meine Erkältung nicht richtig auskuriert habe. Vielleicht fehlten mir 10-20 % meiner Leistungsfähigkeit und wenn man eine Tour wie diese am Limit geht, fehlen diese paar Prozent dann eben irgendwann auf der Runde. Ich möchte mich bei Tobi und Christian bedanken, die mich immer bestärkten weiterzumachen und trotzdem das eine oder andere Mal auf mich warteten.
Für mich war es heute ein eindrücklicher Tag. Ich werde Ihn sicherlich lange nicht vergessen. Eine wunderbare, landschaftlich einmalige Runde, die ich jedem ans Herz legen möchte, der sich diese zutraut.
Zum ersten Mal war ich heute konditionstechnisch völlig am Limit. Wenn man es genau sieht, dann schon bestimmt ein wenig darüber. Was mich aber positiv stimmt, wie schon in meiner aktiven Triathlon- und Wettkampfzeit, bin ich dann immer wieder in der Lage mich auf ein Tempo einzustellen und mich so weit zu pushen, dass ich es dann bis ins Ziel oder in diesem Fall heil ins Tal schaffe.
Unsere Zeit von Parkplatz zu Parkplatz lag bei 8:47h. Die Grenze zwischen Genuss und Qual war heute definitiv fließend, aber hängte des Öfteren auf die zweite Seite.
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Helmut Laurer (Samstag, 05 März 2022 18:42)
super super tour u leistung