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Skihochtour - Taufkarkogel - 3362m Ötztaler Alpen

Teilnehmer: Peter

Datum: 29.01.2023

 

Gipfel:

Taufkarkogel 3362m

 

Schwierigkeiten:  ST I-II – Am Gipfelanstieg je nach Route max. UIAA II - 1680hm

Lawine: 1 - meist günstige Lawinensituation

 

Verhältnisse: Notabfahrt gut in Schuss, Gletscherspalten tragfähig zugedeckt, steiler Gipfelanstieg über festen Fels lockerer Pulver unter einer Kruste

 

Wetter: Sonnniger, stabiler Januartag, letzter Schönwettertag vor einer nahenden, schneebringenden Kaltfront

 

 

Strecke: Mittelberg, Parkplatz Gletscherskigebiet Pitztal – Gasthof Steinbock – Notabfahrt Grießtal Pitztaler Gletscherskigebiet – ab 2650m Mittelbergferner – Rofenkarjoch 3316m – Taufkarkogel Gipfel 3362m – Rofenkarjoch 3316m – Mittelbergferner – Notabfahrt Grießtal Pitztaler Gletscherskigebiet – Gasthof Steinbock - Mittelberg, Parkplatz Gletscherskigebiet Pitztal

Ein kleiner Überblick unserer Tour. Ohne jeglichen Masstab.

 

 

Was ist das nur für ein Winter? Ich würde ihm das Prädikat „totale Katastrophe“ verleihen! Zuerst hatten wir einen vielversprechenden Start mit einer guten Erstschneemenge im frühen Frühwinter. Mit einer gehörigen Zuversicht freute ich mich auf einen guten Touren Hochwinter. Doch dann kam das mittlerweile regelmäßige Tauwetter um den Jahreswechsel, das heuer leider wieder einmal extrem ausfiel. Zweistellige Plusgrade in den Bergen ließen den Schnee bis weit ins Hochgebirge schmelzen. Auf meiner Skihochtour vor etwa drei Wochen auf den Gran Paradiso konnten wir den Schnee auf der Alpensüdseite genießen. Dort waren die Schneemengen wegen den Südstaulagen höher oder zumindest brauchbar und so konnte ich mit Helmut, bei schwierigen, aber machbaren Verhältnissen erfolgreich in die Skitourensaison starten. 

morgendlicher kalter Start am Parkplatz des Pitztaler Gletscher-Skigebiet.

Da die vor kurzen gefallenen Neuschneemengen auf der Alpennordseite zwar gut waren aber leider nie und nimmer für die Jahreszeit reichten und deshalb das freie Gelände nicht ohne Felskontakt befahrbar ist, mussten ich wieder einmal auf Trick 17 oder auf die Notabfahrt eines Gletscherskigebiet zurückgreifen. Ein Tourenziel war schnell gefunden. Es sollte der Taufkarkogel sein, eines der am weitesten entfernten Ziele am Mittelbergferner. 

Etwas oberhalb des Gletscherbeginns bei den ersten Sonnenstrahlen. Oben auf dem Plateau an der Sonnen-Schatten Grenze die Braunschweiger Hütte.

Nach einer entspannten Anreise nach Mittelberg, stieg ich diesmal mit Peter aus dem Caddy und machte mich fertig. Es ist kalt, Minus 12 Grad zeigte das Thermometer im Auto an. Über den bereits aus dem Vorjahr bekannten Weg am Gasthof Steinbock vorbei, erreichen wir die Notabfahrt des Pitztaler Gletscherskigebiets. Erst noch flach, mit einigen kurzen Steilaufschwüngen kommen wir bei eisigen Temperaturen und einem von vorne kommenden, wirklich unangenehmen Wind recht schnell voran. Die Kälte trieb uns förmlich an. Finger, Backen, Kinn und Zehen fühlten sich taub an, die Augen tränten und das Sprechen fiel schwer. Erst als wir im steileren Bereich der Notabfahrt nach rechts eindrehten, wurde der Wind weniger und wir konnten ein wenig vom Gas gehen. Weiter oben aber, kamen wir wieder in den Bereich des Düseneffekts, der kalte Wind vom Gletscher hatte uns wieder. Richtig schneidend wurde die Kälte aber erst im Bereich des Gletschertores. Hier am Beginn des Gletschers im Schatten des Linken Fernerkogels, gaben wir richtig Gas. Sowohl Peter als auch ich wollten so schnell wie möglich in die Sonne, die oben an den Felswänden des rechten Fernerkogels bereits wärmte. Im Laufschritt erreichten wir die wärmenden Strahlen. Was für eine Wohltat. Schlagartig wurde es um 10 Grad wärmer, der Wind wurde schwächer und wir machten hier auf 2650 Meter erst einmal eine kleine Trinkpause. Ich zitterte am ganzen Körper und drängte zum Weitergehen.

Spuren im Pulver...

Kurze Zeit später waren wir wieder unterwegs, denn wir haben heute noch einiges vor. Der Taufkarkogel ist das am weitest entfernte Ziel auf dem Mittelbergferner. Ganz hinten im Gletscher-Nährgebiet, der letzte Zacken, direkt neben der Königin, der höchste Berg der Ötztaler Alpen, der Wildspitze. Auf dem zweitgrößten der Tiroler Gletscher sind die Dimensionen schon gewaltig. Wir hielten uns links der östlichen Steilabstürze des rechten Fernerkogels und stiegen durch eine Mulde, später über leichte Aufschwünge in Grundrichtung Süden /Südosten, der Sonne entgegen auf obere Gletscherbecken unterhalb des Schuchtkogels. Richtig warm war es trotz der Sonnenstrahlen nie, aber zumindest erträglich. Die Kälte hatte einen Vorteil, der Schnee blieb immer noch richtig fluffig und pulverig und das freute uns. Da kann man auch ein bisschen frieren in Kauf nehmen.

Auf dem Mittelbergferner. Im Hintergrund rechts der Linke Fernerkogel.

Unterhalb des Schuchtkogels hatten wir zwei Möglichkeiten: Entweder wir fahren links hinunter in eine Mulde auf spaltenarmen Gletscherbereichen, etwa 60 Höhenmeter verlierend und dann wieder von links nach rechts aufsteigen unter das Rofenkarjoch oder wir traversieren etwa auf gleicher Höhe über in der Karte eingezeichnete Spaltenbereiche mit ungleich weniger Aufwand direkt unter das Rofenkarjoch. Wir entschieden uns wegen der sicheren Spaltenüberdeckung für Variante zwei und spurten direkt zum Rofenkarjoch. Der Schnee hatte hier oben eine leichte Kruste, war ein wenig windbeeinflusst und so brach ich beim Spuren etwa 20 Zentmeter ein. Ich stoppte kurz und schaute mir den Hang zum Rofenkarjoch an. Alte Spuren konnte ich noch schwach erkennen, so steuerte ich in Spitzkehren der nach oben verjüngender Scharte an. Irgendwann auf halben Weg wurde der Deckel so hart, dass ich mit dem Ski nicht mehr durchbrechen konnte. Es wurde schlagartig gefährlich mit den Ski. Also war der Moment für ein Skidepot da. Ich baute meine Steigeisen an und stapfte anstrengend die restlichen 30 Höhenmeter hinauf in das Joch.

 

Hier empfing mich eisiger Wind aber auch eine gewaltige Aussicht. Von der Wildspitze ganz rechts über den Vorderen Brochkogel, die Berge des Gurgler Kamms oder der Weißkugelgruppe weiter hinten. Beste Fernsicht! Haben wir es doch schön! Aber wie jetzt zum Gipfel kommen? Von der Scharte auf der Mittelbergferner-Seite in der steilen Flanke um den Vorgipfel queren war mir zu heikel. Also dann doch die direkte Variante über den Vorgipfel.

Der steile Vorgipfelaufbau des Taufkarkogels, aus der kleinen Steilflanke vor dem Rofenkarjoch fotografiert.

Ich riss mich weg vom Staunen und machte mich an den kurzen aber sehr winterlich verschneiten Felsgrat. Lockerer Pulverschnee erschwerte mir das Vorkommen, aber irgendwie wühlte ich mich Meter für Meter höher. Ich räumte Felsen vom Schnee frei, querte über Schneefelder und kletterte im oberen zweiten Grad auf guten Fels Richtung Vorgipfel höher. Alles nicht sehr einladend, aber es war noch vertretbar. Mal Schnee stapfen, mal ausgesetzt klettern. Erst als mir eine ausladende Schneewechte, etwa 20 bis 25 Meter vor dem geräumigen Gipfelplateau den Weiterweg versperrt und mich am Weiterkommen hinderte, musste ich erkennen, dass es besser ist, es für heute gut sein zu lassen und wieder zurück in das Rofenkarjoch zu steigen. Also schoss ich kurz noch ein paar Fotos und ging wieder zurück. Mittlerweile war auch Peter im Joch angekommen, er stieg mir auf den ersten Meter Richtung Gipfel entgegen und wir beglückwünschten an uns Ort und Stelle zu unserer heutigen super Tour.

Momente am und unterhalb des Gipfels.

Wir stiegen nach ein paar Fotos gemeinsam zum Skidepot hinunter und bauten unsere Ski auf Abfahrt um. Beim Abfahren entschlossen wir uns nicht entlang der Aufstiegspur abzufahren, sondern der Skiroute in der DAV-Karte zu folgen. Hier konnten wir die größten Spaltenbereiche umfahren. Hier musste ich wieder einmal feststellen, dass Skipflege und das Wachs auf fast ebenen Schneeflächen doch Vorteile bringt. Was musste ich kämpfen, um schiebend in geneigtere Bereiche des Gletschers zu kommen. Was verfluchte ich mein Versäumnis und meine fehlende Skipflege. Irgendwann hatten wir es dann doch geschafft und wir konnten im besten Pulverschnee unsere Schwünge setzten. Was für eine Freude! Was für eine Genugtuung! Schnell waren wir wieder auf der präparierten Piste und ließen es entlang der Notabfahrt zum Parkplatz hinuntergleiten.

Wildspitze Nordgipfel rechts und Südgipfel links. Darunter der Rofenkarferner.

Fazit:

Es ist traurig, wie weit der Klimawandel unsere Bergaktivitäten im Winter mittlerweile beeinflusst. Ich bin kein Befürworter der Gletscher-Skigebiete, bin Gegner, wenn es um Skigebiets-Erweiterungen und Zusammenschlüsse geht. Aber ich muss zugeben, dass ich um solche Notabfahrten aus Gletscherskigebieten momentan dankbar bin. So kann ich die mangelnden Schneehöhen bei den Hochwintertouren umgehen und tolle Stunden ohne Material- und Körperschäden in den Bergen genießen.

 

Der Taufkarkogel ist ein weites Ziel. Ganze 12 Kilometer einfach und 1700 Höhenmeter muss man bewältigen, um am obersten Bereich des Mittelbergferners auf dem steilen Felszahn stehen zu können.

Dieser Anstieg macht einem irgendwie demütig. Über die weiten Schnee- und Gletscherflächen, die steilen, hohen Zacken rund um, fühlt man sich richtig winzig. Das sind die Momente, ja Glücksmomente, wo man auf Null stellen kann. Seine Sinne resetten kann.

Sei es das Knirschen des eisigen Schnees, wenn man den Skistock reinsticht oder das Schleifen der Ski im Schnee. Kein Laut ist um dich, nur dein gleichbleibender Atem und die regelmäßigen Geräusche deiner Ausrüstung. Du saugst die Weite, die Aussicht und die Einsamkeit in dich auf. Kein Mensch, außer dir selbst und deinem Tourenpartner, der die Stille stört. Ich persönlich ziehe so viel aus solchen Momenten, habe wieder Kraft für die kommenden Herausforderungen und Stresssituation in meinem eigentlichen Leben.

 

Wenn mich jemand fragt, ob es sich für mich wirklich rentiert, ob es das wert ist, für einen Tag ins Pitztal zu fahren, den Wind und die Eiseskälte ertragen und 1700 Höhenmeter aufzusteigen, kann ich nur antworten, Ja, Absolut! Viele Verstehen das nicht, nur die in ähnlichen Situationen sind, können mir beipflichten. 

Blick vom Gipfel zur Rofenkarscharte.

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